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Buch Berlin 2018

Freitag, 23. November

Bereits die Anreise am Freitagabend hält einige erwähnenswerte Überraschungen bereit. Gegen 17:30 Uhr steige ich bei meinem Pa ins Auto, der mich netterweise nach Hagen zum Bahnhof bringt. Normalerweise dauert die Fahrt dorthin ca. 40 – 50 Minuten, je nach Verkehrslage. Wir kurven etwas länger durch die Großstadt, da mein Vater meint, den Weg zu kennen. Zum Glück haben wir insgesamt über eine Stunde Zeit und mein Handy mit Google-Maps, denn der Verkehr ist mörderisch. Irgendwann komme ich dann doch noch rechtzeitig am Zielort an und freue mich schon auf meine erste lange Bahnreise im ICE. Diesen finde ich direkt auf der großen Anzeigetafel, zusammen mit dem Hinweis, dass der Zug ausnahmsweise von Gleis acht statt Gleis sechs fahren soll. Ok, kein Problem. Frohgemut mache ich mich mit Rollkoffer und Rucksack bewaffnet etwa acht bis zehn Minuten vor Abfahrt auf den Weg zum Bahnsteig. Dort werden auf dem Schild der passende ICE und das Ziel Berlin angezeigt. Der Zug fährt ein, an mir vorbei und ich wandere eine ganze Weile, bis ich Wagon 34 erreiche. Einsteigen, mit dem Koffer durch den engen Gang und das volle Abteil kämpfen und Platz 55 suchen ... Oh, schon besetzt!

Die Dame dort behauptet steif und fest, den Platz reserviert zu haben, der doch MEINER ist, zeigt mir ihr Ticket – ok, dort steht es. So eine Unverschämtheit von der Bahn! Zum Glück möchte ein netter Herr eine Reihe weiter vorn beim nächsten Halt aussteigen und überlässt mir schon mal seinen Sitz. Nachdem ich meinen Koffer glücklich verstaut und mich ans Fenster gequetscht habe, seufze ich erleichtert auf und bemerke: „Gut, dass ich sitzen kann, wo ich doch noch nach Berlin muss.“

Der Blick meiner Mitreisenden ist schwer zu deuten.

„Aber dieser Zug fährt nach Koblenz ...“, merkt jemand vorsichtig an.

Ich warte auf die Auflösung des Scherzes, aber sie kommt nicht. Inzwischen setzen wir uns langsam wieder in Bewegung. Einige Verzweiflungssekunden später erhalte ich den hilfreichen Rat, mich an das Bahnpersonal zu wenden. Eine nette Dame kritzelt etwas auf mein Ticket, das ich zum Glück ganz altmodisch ausgedruckt und nicht nur auf meinem Handy per App parat habe. Übersetzt heißt es: „Zu dumm zum Bahnfahren.“

 

Mit hochrotem Kopf steige ich in Wuppertal gemeinsam mit dem freundlichen Herrn aus, der mir seinen Platz überlassen wollte und warte auf den nächsten richtigen Zug. Innerlich seufzend mache ich mich darauf gefasst, die knapp vier Stunden bis zum Ziel stehend oder im Gang sitzend zu verbringen, da meine schöne Sitzplatzreservierung natürlich hinfällig ist. Aber – oh Wunder – der Zug scheint wesentlich weniger überfüllt als der letzte und ich darf die ganze Zeit über bequem sitzen, wenn auch auf drei verschiedenen Plätzen.  

Leider hat auch dieses Verkehrsmittel mit dem üblichen Bahnproblem zu kämpfen. Statt 23:10 Uhr erreichen wir den Berliner Hauptbahnhof um 23:45 Uhr. Bis ich die Info ergattere, wo ich in den passenden Bus einsteigen kann, der mich zu der Straße mit dem vergessenen Namen und zu dem Hotel (wie hieß es noch gleich?) bringt, ist es kurz vor Mitternacht.  Echt nicht mein Tag heute.

Die Chaosnummer setzt sich darin fort, dass der nächste Bus erst in sechzehn Minuten angekündigt wird, für eine Strecke, die inklusive mehrerer Haltepunkte sieben oder acht Minuten dauert. Entschlossen tippe ich den Ausstiegspunkt „Turmstraße“ in Google-Maps ein und drücke auf „Route“. Aha, meine Zielstraße heißt „Wilhelmshavener Straße“, auch wenn ich mich an den Namen des Hotels noch immer nicht erinnere. Mein Gehirn fühlt sich an wie Mus. Also die bekannte Straße als Ziel eingeben und in raschem Tempo durch die Großstadt marschieren. Ohne das Navi wäre ich verloren, auch wenn ich mir die Strecke schon zu Hause angesehen hab und weiß, dass sie etwa 2,5 km beträgt. Durchaus machbar, mit Rollkoffer nur leicht herausfordernd. Dennoch sind mir Frischluft und Bewegung sehr willkommen. In der richtigen Straße angekommen beginnt die Suche nach dem Hotel. Irgendwo hier muss es doch sein ... Ich rase die gesamte Straße entlang, etwa einen Kilometer. Erfolglos. Schließlich sehe ich das U-Bahn-Schild „Birkenstraße“ vor mir und mir wird klar, dass ich zu weit gelaufen bin. Fluchen, Handy-Map vergrößern ... da isses doch, das Apple-City-Hotel! Ganz am Anfang der Straße, bloß auf der anderen Seite. Grrr! Die gesamte Strecke zurück marschieren, wieder etwa achthundert Meter. Mit lahmen Armen, schmerzenden Schultern und todmüde erreiche ich gegen halb eins mein Hotel und falle weitere zehn Minuten später ins Bett.  

 

Samstag, 24. November

Nach einer ziemlich kurzen Nacht, in der ich bei geöffnetem Fenster das Gefühl hatte, auf der trotz der späten Stunde noch reichlich mit laut lamentierenden Fußgängern bevölkerten Straße zu schlafen, weckt mich mein Handy-Wecker um sieben Uhr. Hmpf. Ok, ich bin für acht Uhr zum Aufbauen eingeteilt. Also aufstehen, anziehen und den Weg zum Frühstücksraum suchen. Ein überraschend reichhaltiges, leckeres Buffet erwartet mich. Danach erreiche ich in weniger als zehn Minuten Fußmarsch ohne Probleme meinen Zielort: Das Mercure Hotel MOA Berlin.

 

Ich schleiche mich quasi durch die Hintertür hinein, da ich nicht den großen Eingang wähle, sondern den kleinen daneben, wo „Hotel“ dransteht. In Folge hechte ich etliche Treppen hoch, um anschließend etwas verloren in der riesigen Rezeptionshalle zu stehen und dann ein Stockwerk tiefer zu den Ausstellerräumen geschickt zu werden. Ich bin die Erste von unserem Phantastik-Autorinnen-Team, also besorgte ich kurzerhand die Tüte mit Aussteller-Schildchen.

 

Nach und nach trifft die übrige Standbesetzung ein und hilft beim Aufbau. Pünktlich zum Messestart wuseln jede Menge Aussteller überall herum, jedoch kaum Besucher.

Ich mache dem Karina-Verlag im Kinderbuch-Bereich meine Aufwartung, begrüße Reni Zawrel und bewundere den schön gestalteten Stand.

Nach und nach füllen sich die Gänge, bis es in einigen kein Durchkommen mehr gibt. Zum Glück haben wir einen sehr „luftigen“ Standort mit großzügigem Platzangebot drum herum, deshalb fühlen wir uns selbst zu den Stoßzeiten nicht eingeengt.

 

Lediglich die Raumtemperatur liegt für November in schweißtreibender Höhe. Die Zeit vergeht mit Gesprächen, Begegnungen mit Facebook-Bekanntschaften und Erzählungen zu den Büchern superschnell.

 

 

 

Von 14 bis 15 Uhr ist meine „Autorenstunde“ am Stand von Karina dran. Gähnende Leere im Kinderbuch-Bereich. Wer wird kommen, um mich irgendwas zu fragen? Anscheinend niemand. Also gehe ich herum, lade alle Kids, die ich entdecke (sind nicht besonders viele) zu einer „Lesung“ am Stand ein, kehre zurück – immer noch keine Menschenseele. Halt, doch – ein Junge möchte zuhören. Draußen auf dem Gang sitzen einige Erschöpfte und machen Pause.

 

„Soll ich euch was vorlesen?“, frage ich. Sie stimmen zu. Kurzerhand schnappe ich mir den „Arbeitsstuhl“, den Reni als Leihgabe von einem Tischler organisiert hat und halte eine kurze Flur-Spontanlesung aus „Fantastische Abenteuer 1“. Außer einer kleinen Störung durch eine Frau, die zwischendurch lauthals irgendwas mit einer Zuhörerin zu bereden hat, wird es richtig nett. Nur meine eh schon angekratzte Stimme leidet ein wenig.

Endlich möchte ich mich um kurz vor fünf verabschieden (nachdem ich bereits seit 13 Uhr keinen offiziellen Standdienst mehr habe). Allerdings besorge ich einer spontanen Eingebung folgend noch Nachschub an kleinen Wasserflaschen. Beim Hochtragen über die Rolltreppe gibt - anscheinend standardmäßig, da es beim ersten Mal Wasserholen auch passiert ist - die Plastikumhüllung des Sixpacks den Geist auf und die Flaschen poltern lautstark die Stufen hinunter. Eine gleicht hernach einem Springbrunnen, der die gesamte Umgebung erfrischt, bevor ich die Reste austrinken kann. Leicht durchnässt bringe ich die restlichen fünf Fläschchen zum Stand, wo mich meine Kolleginnen reichlich amüsiert betrachten. Den Abend beende ich früh im Hotel, um etwas Schlaf nachzuholen.

Sonntag, 25. November

Nach einer etwas ruhigeren und längeren Nacht genieße ich ausgiebig das tolle Frühstück, packe meinen Krempel und ziehe mit Koffer und Co Richtung Messe. Diesmal bin ich nicht die Erste, da unsere unermüdliche Organisatorin bereits dabei ist, alles hübsch zu machen für den zweiten Tag. Dieser verläuft insgesamt etwas beschaulicher, das Publikum hält sich in Grenzen, trotzdem gibt es erneut spannende Begegnungen und schöne Momente, die ich nicht missten mochte. Sei es die Lesung meiner Phantastik-Autorinnen-Kollegin Sheila Reynolds, der ich beiwohnen darf, seien es Gespräche mit Bloggerinnen, Lektorinnen oder einem Verlagsleiter, der so großes Interesse an meinen Büchern zeigt, dass es mich richtig misstrauisch macht, persönliche Umarmungen von Internet-Bekanntschaften oder das Signieren eines verkauften Buches.

 

Gegen siebzehn Uhr sind fast nur noch Aussteller anwesend, die durch die Stände flanieren und sich die „Konkurrenz“ ansehen. Um achtzehn Uhr kommt dann das Zeichen zum Abbau. Bücher, Goodies und Deko werden sorgfältig in die Kisten gepackt, einige wandern in meinen Koffer, andere nimmt Anja Buchmann mit, die gemeinsam mit ihrem Vater gestern alles angeschleppt hat.  

Ohne Eile wandere ich mit Dorothe Zürcher, einer weiteren Autorenkollegin aus der Schweiz, zum Hauptbahnhof, wobei ich mich auf ihren Orientierungssinn verlasse, der zumindest besser scheint als meiner. Jedenfalls kommen wir unbeschadet dort an, überlassen unterwegs die leeren Wasserfläschchen den Menschen, die vor einer Notunterkunft warten und gehen anschließend noch etwas Warmes trinken, bevor mein Zug fährt. Einen so liebevoll (und umständlich) zubereiteten Kakao habe ich mein Lebtag noch nicht gehabt! Da bleibt anschließend nur noch wenig Zeit, um ein Brötchen für die Reise zu erstehen und mein Koffer in der Eile beinah bei der Bäckerei zurück.

Typisch ich ...

  

 

Zumindest achte ich diesmal sorgfältig darauf, den richtigen ICE zu erwischen und – oh Wunder – mein Platz ist sogar noch frei.       

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Kommentare: 2
  • #1

    Lisa (Donnerstag, 29 November 2018 23:20)

    Klingt nach einem tollen Wochenende :- ���

  • #2

    Michaela (Freitag, 30 November 2018 21:13)

    Danke, ja , das war es wirklich! Es war vor allem unglaublich schön, viele von den Autorinnen und Autoren zu treffen, die ich bislang nur von FB her kannte.